nicht ganz ernst zu nehmen

Luftfahrtgeschichte

Die Anfänge der Luftfahrt

Von Jack H. Brouse, frei übersetzt von Viktor Rothe 

Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die Luftfahrt lange vor den Gebrüdern Wright begann. Deren historische Flüge bei Kitty Hawk war der Beginn der motorgetriebenen Luftfahrt.

Als motorgetrieben können wir ein Flugzeug bezeichnen, das mit einer Einrichtung versehen ist, die dasselbe vorwärts treibt.

Überprüfen wir aber die Geschichte der Luftfahrt einmal hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung des Wortes “angetrieben”, so müssen wir in die Zeit der Mythen des alten Griechenland zurückgehen, also etwa um MMMMCDV vor Christus (ein paar M&M hin oder her machen da nicht viel aus).

Dies war die Ära von profunden Denkern, Philosophen und (nicht zu vergessen) Architekten und Baumeistern, die so gewaltige Werke geschaffen haben wie den Parthenon oder den Koloss von Rhodos, eine Ära von herausragenden Persönlichkeiten und Taten, die bereits in den Werken von Homer und Ovid verherrlicht werden. Eine solches Epos ist auch die Geschichte vom großen Daedalus.

Was den großen Dichtern der Antike nicht bekannt sein konnte, war die Bedeutung des Daedalus für die Luftfahrt, die es erst viele tausend Jahre später geben sollte. Darum soll die außergewöhnliche Leistung des Daedalus auch einmal in dieser Hinsicht betrachtet werden.

 

König Minos von Kreta benötigte ein ausbruchsicheres Gefängnis für alles, was der damaligen Zivilisation schaden konnte. Dies schloss neben Verbrechern und anderem Abschaum der Menschheit auch Kreaturen wie den Minotaurus ein.

So engagierte er die Dienste des bekanntesten und berühmtesten Ingenieurs und Architekten seiner Zeit, den einzigartigen Daedalus.

Dieser hatte sich bereits in der Kunst des Bauens Ruhm erworben. Er konnte Konfusion und Konflikte zu Stein werden lassen, er konnte das Auge fesseln mit verwirrenden Gängen und Passagen, die sich über-, unter- und nebeneinander in immer neue Irrwege verlieren. Dieser war der richtige Mann für diese Aufgabe.

Nach fünf endlos erscheinenden Jahren voll Konstruierens und Bauens stellte er ein monumentales Bauwerk mit fünf gleich langen Seitenwänden vor, das er Labyrinth nannte. Dies war ein Gefängnis, von dem zu entfliehen niemandem möglich sein sollte.

Unglücklicherweise verzögerten unzuverlässige Subunternehmer den Bau, andere lieferten minderwertiges Material, das ersetzt werden musste, und so überstiegen –wie es bei Projekten der öffentlichen Hand schon damals vorkam- sowohl Baukosten als auch Bauzeit die bei der Ausschreibung festgesetzten Werte deutlich.

König Minos machte Daedalus und seinen Sohn Ikarus für die Mehrkosten verantwortlich und ließ sie zur Strafe in den von ihnen selbst erbauten Kerker werfen.

Die Schuld der Beklagten wurden durch keinerlei Fakten bewiesen. König Minos beharrte jedoch auf seinen Vorwürfen und ersparte sich so, Daedalus für sein intellektuelles und geniales Meisterwerk zu bezahlen.

Daedalus, der entsetzlich unter den Umständen litt, wurde fast wahnsinnig vor Zorn und Heimweh. Er hasste Kreta. Er hasste Minos. Er war ein Gefangener! “Minos blockiert den Land- wie den Seeweg in die Heimat”, sagte Daedalus zu sich selbst, “Aber der Himmel ist offen! Das ist der Weg, auf dem ich fliehen will!!! Minos beherrscht nicht die Luft!”

So lenkte Daedalus seine Gedanken und Intuition auf ihm unbekanntes Terrain, vielleicht sogar in dem Wissen, die damals bekannten Gesetze der Physik über Bord werfen zu müssen.

Ovid berichtet: “Er legte erst Federn in bestimmter Ordnung aus, erst die kleinsten, dann größere”…. und so weiter.

Dann erdachte er sich eine kluge Befestigung mit Zwirn und plastisch verformbaren Wachs zwischen und unter den Federn der Flügel. Die Struktur war sanft gebogen wie die Flügel einer elegant über dem Meer hin und hergleitenden Möwe.

Daedalus’ Arbeit zog natürlich die Aufmerksamkeit der anderen Gefängnisinsassen auf sich. Sie schauten verwundert zu. Da gab es Ungläubige, Skeptiker und Neider. Einfältige, dumme Männer lieferten spöttische Kommentare wie “He, du Narr, willst du vielleicht mit Deinem Federbett fliegen?” oder auch farbige Sprüche wie “Vergiss nicht, Minos eine Grußkarte hinunterzuwerfen, wenn du vorbeifliegst, ha ha.” Jede Menschengruppe hat ihre Witzemacher.

Auch Ikarus war trotz guten Willens keine große Hilfe. „Was soll ich jetzt machen, Daed?“ (früheste Überlieferung dieser Bezeichnung für „Vater“, heute noch im englischsprachigen Raum üblich). Doch die Anweisungen verschlangen mehr Zeit, als die Arbeit selber, und so vollendete Daedalus sein Werk nicht mit, sondern trotz der Mitarbeit seines Sohnes. Der stand immer im Weg, verlegte Werkzeug, brachte die falschen Federn, kurz, er tat nichts als sinnloses Zeug. Wie eben halbwüchsige Jungen so sind.

Letztendlich war das Werk vollbracht und der erste Zusammenbau und die Flugerprobung konnte beginnen. Als erstes wurde der Ornithoptermechanismus getestet. Dann, bei stärkerem Wind wurde die Abhebecharakteristik in Fesselversuchen erprobt. Daedalus unterrichtete dabei Ikarus über die selbst erst kürzlich gewonnenen Erkenntnisse. “Fliege in mittlerer Höhe! Gehe nicht zu tief, sonst könnte Wasser die Flügel benetzen und das Gewicht würde dich ins Wasser ziehen! Gehe nicht in zu große Höhe, denn die Sonne könnte die Federn versengen und, Zeusverdammich (die früheste Form von Blasphemie), mach’ mir bloß keinen Unsinn!”

Somit war Daedalus nachweislich Fluglehrer Nummer I (römische Ziffernschreibweise).

Der Abflug wurde planmäßig auf die frühen Morgenstunden gelegt, jedoch war das Wetter nicht VFR (bei dem man auf Viele Flugapparate Rücksicht nehmen muss) und der Start wurde verschoben.

Gegen Nachmittag besserte sich das Wetter zu CAVOK (Cumulus Ansammlungen Verschwanden Oberhalb Kreta).

Beide Piloten machten ihre Flugapparate und sich selbst startklar und Daedalus startete als erster. Sein Start war ähnlich dem eines Albatros.

Als er sich in die Lüfte erhob, rief er seinem Sohn bangen Herzens zu: „Folge mir einfach!“ Immerhin war es sein Sohn, den er erstmalig Solo schickte, aber jener wuchs mit den Anforderungen. Dieser Junge war der geborene Flieger, ein großes Talent.

Als die Erde unter ihren Füßen wegsank und sie die unteren Extremitäten einzogen, wurde Ikarus von der Schönheit des Anblicks überwältigt. Die Anmut und die Leichtigkeit des Fliegens stieg ihm wie schwerer Wein zu Kopf. So außer sich vor Glück begann er, die atemlosen Zuschauer mit spektakulären Flugmanövern zu beeindrucken. Er stieß hinab, zischte in niedrigster Höhe über die Köpfe des Auditoriums, zog wieder hoch, überschlug sich, drehte Rollen und stieg in einem groß angelegten Looping in die Höhe.

Dies war jedoch sein Niedergang: An der höchsten Stelle des Manövers in Rückenlage kam er den gefährlichen Strahlen der Sonne zu nahe. Das Wachs seiner Flügel war unzureichend hitzebeständig. Federn lösten sich erst einzeln, dann in Büscheln und Sekunden später hatte Ikarus nichts als seine Unterwäsche. Er schlug wie von Sinnen mit den Resten seiner Flügel, doch reichte der Auftrieb nicht aus, seinen Fall abzubremsen und er stürzte in die See.

Einem Schafhirten, der gestützt auf seinen Stock der Luftschau folgte, verschlug es den Atem. Ein Bauer, der seinen Ochsen geparkt hatte, um der Schau zu folgen, zitterte vor Angst. Ein Fischer, der eben seine Netze eingeholt hatte, sah den unglücklichen Ikarus in den trüben Fluten der Bucht versinken. Alle Bemühungen, das Leben des Aviatikers zu retten, waren erfolglos. Nichts außer einer Handvoll Federn zeugte von dem grauenvollen Unfall.

Daedalus war schreckensbleich. Er konnte nichts tun. Er war Schuld am  tödlichen Niedergang seines Sohnes. Schweren Herzens setzte er seinen Flug fort.

Ovid schreibt, sein Flugziel sei Neapel gewesen. Dies ist allerdings zu bezweifeln. Es ist fast tausend nautische Meilen von Kreta dorthin, und Daedalus hatte nicht genügend Personenstärken (PS).

Weniger unwahrscheinlich ist, dass er Griechenland erreichen konnte.

Als Minos die Neuigkeit hörte, war er außer sich vor Wut. Er rief sofort einen Untersuchungsausschuss ins Leben, der Licht in das Dunkel des Vorfalles bringen sollte. Alle Aspekte wurden eingehend beleuchtet. Die Augenzeugen wie der Fischer, der Bauer und der Schafhirte wurden eingehend befragt. Sogar ein umherziehender Künstler wurde engagiert, den fatalen Absturz auf Leinen festzuhalten. Dieses Gemälde ist heute noch zu sehen mit Ikarus, fallend im Vordergrund, und Daedalus, wie er in seinem Vogelmensch-Anzug im Hintergrund davonfliegt.

Um die Zeugen der Fluggeräteproduktion befragen zu können, erdachte Theseus die Möglichkeit, das scheinbar unbezwingbare Gefängnis betreten und verlassen zu können: Ein Goldfaden wurde abgespult und hernach wieder aufgewickelt, um die Untersuchungskommission durch die komplexen und verwirrenden Irrgänge zu führen.

Die Zeugen der Konstruktions- und Bauphase wurden hochnotpeinlich und unter Eid befragt. Die noch auffindbaren Reste der verwendeten Materialien, Wachs, Federn und Zwirn wurden in die Labors des eigens ins Leben gerufenen Materialprüfungsamtes gebracht.

Die Experten waren einstimmig in ihrem Urteil: Versagen der Struktur hatte das Desaster verursacht.

Eine Regierungsstelle für Unfalluntersuchungen wurde in Nähe des Materialprüfungsamtes eingerichtet, um nicht nur die sachlichen Fakten, sondern auch die Begleitumstände zu werten und zu würdigen. Diese Luftfahrt Beamten des Altertums (LBA) fassten die Ergebnisse folgendermaßen zusammen:

Weder LBA noch eine sonstige Regierungsstelle hatte für die Materialien eine Prüfnummer vergeben. Weiterhin wurden weder die Konstruktion noch die Methoden des Zusammenbaues des Flugapparates von irgendeiner offiziellen Stelle überprüft und gutgeheißen.

Weder Daedalus noch Ikarus besaß für den jeweiligen Flugapparat ein Lufttüchtigkeitszeugnis, einen Eintragungsschein oder eine aktuelle Gewichts- und Schwerpunktberechnung.

Weder Daedalus noch Ikarus waren zum Zeitpunkt des Flugunfalls im Besitz eines gültigen Gesundheitszeugnisses, viel weniger eines Luftfahrerscheines.

Weiterhin hatten sie keine Flugfreigabe und hatten den gesperrten Luftraum über dem Labyrinth wissentlich verletzt.

Solche Luftvandalen stellten eine große Gefahr für die Allgemeinheit dar. Irgendetwas musste sofort unternommen werden, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, selbst wenn es falsch oder unsinnig war.

Die Entscheidung fiel. Die Übertretung von Baurichtlinien in Zusammenhang mit grob fahrlässigem Pilotenfehler hatten die Katastrophe verursacht.

Alle anderen Beteiligten und Unbeteiligten waren entlastet, ausgenommen Daedalus, der nun vor dem Gesetz als Flüchtling galt. Er wurde für alle Zukunft für den Erhalt jedweder Lizenzen (Privatpilot, Lehrberechtigung, Luftfahrtmechaniker) gesperrt. All diese hätten die seltene griechisch-römische Ziffer I getragen.

Griechenland und Kreta hatten zu dieser Zeit kein Auslieferungsabkommen. So war Daedalus zwar frei, aber er starb wenig später an gebrochenem Herzen.

Die Bürokratie aber, die zu jenem Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde, existiert bis heute. Sogar ein fünfseitiges Gebäude mit verwirrenden Gängen und Durchlässen gibt es noch auf dieser Welt. Es dürfte sich allerdings um einen Nachbau handeln, denn es steht in der „Neuen Welt“.

Die Konfusion und Verwirrung, die Daedalus in Form des Labyrinthes in Stein verewigt hat, hat sich in die ganze Welt verbreitet und von den damaligen Luftfahrt Beamten des Altertums weiterentwickelt und ist das Fundament unserer heutigen Luftfahrtverwaltung.

Daedalus war wirklich ein Pionier, sowohl der Luftfahrt als auch der zugehörigen Bürokratie.