Neue Technologie

Neue Technologie

Welche Vorteile bringt die „Neue Technologie“?

Abgesehen vom stets falsch benutzten Terminus „Technologie“ (richtige Bedeutung: transdisziplinäre Technikforschung und Techniklehre) möchte ich hier ein paar kritische Gedanken über neue technische Lösungen (dies wäre die richtige Bezeichnung) zur Diskussion stellen.

FADEC

Diese Einhebelbedienung des Motors (Full Authority Digital Engine Control) ist eine hochgelobte neue Entwicklung. Ähnlich wie beim Auto gibt es nicht mehr die von Hand zu schaltenden Gänge, eine Automatik entlastet den Fahrer.

So auch im Flugzeug: Eine (hoffentlich fehlerfrei arbeitende) Elektronik nimmt dem Piloten die Arbeit ab. Der Motor wird immer so eingestellt, dass er möglichst gering belastet wird.
Das mag im Normalfalle auch recht sinnvoll sein, aber es gibt Situationen, in denen eine manuelle Einstellung des Propellers der Automatik deutlich überlegen ist.

Beispiel 1, Verbrauch und Reichweite:

Je geringer die Drehzahl, umso geringer die Reibungsverluste. Fliegt man mit einer Einstellung 20 MP und 2400 RPM, ist die Leistung in erster Näherung genau so groß wie bei 24 MP und 2000 RPM, der Kraftstoffverbrauch ist aber um gut 10% geringer. Der Pilot hat durch FADEC keinerlei Einfluß darauf, ob er dem geringeren Kraftstoffverbrauch oder dem geringeren Verbrennungsdruck den Vorzug gibt.

Beispiel 2, Landeanflug:

Wird ein möglichst steiler Anflug gewünscht, erzeugt der auf höchste Drehzahl eingestellte Propeller den höchsten Widerstand.

Ist aber aufgrund einer Motorstörung eine Notlandung erforderlich, erzeugt der Propeller bei größter Steigung den geringsten Widerstand und vergrößert damit den Gleitweg deutlich.

In beiden Fällen hat der Pilot auf die Automatik keinen Einfluß und muss sich mit dem Kompromiß der FADEC-Steuerung zufrieden geben. Der Vorteil der Automatik besteht lediglich in der Vereinfachung der Bedienung.

Der Wegfall lediglich einen Hebels wird mit einer deutlich komplizierteren Technik erkauft, die nicht nur teurer und komplizierter ist, sondern auch entsprechend mehr Möglichkeiten der Fehlfunktion in sich birgt als ein simpler Bowdenzug.

Ein Pilot mit entsprechendem technischen Hintergrundwissen sollte in der Lage sein, auch ohne diese technische Neuerung (ich möchte fast sagen „Teuerung“) auszukommen.

Bildschirme statt Uhren

Die neuen Anzeigegeräte PFD und MFD haben unbestreitbare Vorteile. Sie sind deutlich leichter und billiger in Herstellung und Wartung als die alten runden Uhren. Weiterhin bieten Sie eine große Informationsdichte auf kleinem Raum.

Für den Flug nach Instrumenten ist klar, dass der Pilot den Bildschirm fokussiert. Alle notwendigen Informationen sind vom zentralen Künstlichen Horizont nur wenige Zentimeter entfernt.

Allerdings kostet es mehr Zeit und Denkarbeit, eine Zahl auf dem Bildschirm abzulesen und mit dem Sollwert vergleichen, als die Stellung eines Zeigers zu interpretieren. Beim Höhenmesser muss zum Beispiel der große Zeiger stets vertikal auf der 12-Uhr-Position stehen. Ist die Höhe zu gering, steht er auf „kurz vor 12“, ist die Höhe zu groß, steht der Zeiger auf „kurz nach 12“. Das ist wesentlich augenfälliger. Zudem muss der Pilot nicht einmal seinen zentralen Blickpunkt vom Künstlichen Horizont verlagern, die Position des Zeigers ist im periphären Blickfeld leicht zu erkennen.

Für den Sichtflieger ist ein Bildschirm noch nachteiliger: Der VFR-Pilot sollte sein Augenmerk fast ausschließlich nach außen richten. Will er von Zeit zu Zeit Höhe oder Geschwindigkeit ablesen, ist ein Blick auf die Instrumente unabdingbar.

Die Stellung des Zeigers einer herkömmlichen Uhr kann er aber im periphären Blickfeld erkennen, ohne dem Blick von draußen nach innen zu wenden. Jedoch um Geschwindigkeit oder Höhe von einem Bildschirm abzulesen, muss er sein Augenmerk für eine oder mehr Sekunden auf den Bildschirm fokussieren.

Weitere Nachteil der Bildschirme:

  1. Ändern eines Wertes von Barometer, Frequenz, Transponder etc. ist nur möglich nach dem Drücken einer entsprechenden Taste neben dem Bildschirm, eine zusätzliche Tätigkeit mit Verwechslungsgefahr.
  2. Versagt die Stromverorgung oder fallen „nur“ beide Bildschirme aus (so geschehen im November 2012 in der Nähe von Ft. Worth mit einer Piper Saratoga), kann der Pilot weder Frequenz noch Transpondercode ändern. Es bleiben nur noch die Instrumente alter Technik, die als Notersatz vorgesehen sind: Schnapskompass, Höhenmesser, Fahrtmesser und Künstlicher Horizont. Damit liegt in IMC eine eindeutige Notlage vor.
  3. Weiterhin ist zu bemerken, dass das Glascockpit wesentlich komplexer zu bedienen ist, als das „Sixpack“ mit den Standarduhren plus Standardradios. Nicht umsonst verlangen die meisten Flugschulen vor dem Verleih eines Glascockpit-Flugzeuges mindestens 5 Stunden Einweisung mit Fluglehrer. Das bedeutet auch, dass der Pilot stets eine Menge Konzentration und Aufmerksamkeit auf die Bildschirme verschwendet. Seine eigentliche Aufgabe, nämlich das Flugzeug fliegen und den Luftraum zu beobachten, wird dabei oftmals sträflich vernachlässigt. Das beweist die Unfallstatistik:
    In den Jahren 2002 bis 2006 waren 800 Unfälle mit Flugzeugen der GA zu verzeichnen. Bei diesen war die Anzahl der tödlich Verletzten Insassen von Flugzeugen mit Glascockpit doppelt so hoch. Speziell für Cirrus-Eigner wurde daraufhin ein Training obligatorisch, bei dem die Betätigung des Rettungsfallschirmes besonders hervorgehoben wurde. Danach sank die Todesrate zumindest bei Cirrus-Flugzeugen deutlich, wenn auch bei gleich hoher Schadensziffer.

Bleibt eigentlich als Vorteil nur übrig: Bildschirme sind billiger. Das ist für ein Neuflugzeug ein wichtiges Argument.

Ein nachträglicher Einbau eines kompletten Glascockpits in ein älteres Flugzeug ist nicht sehr wirtschaftlich. Da gibt es billigere Lösungen, z. B. ein zusätzliches „Tablet“ mit entsprechender Software.

Allerdings gibt es bereits Teillösungen, die überlegenswert sind. Kreiselinstrumente wie der Künstliche Horizont oder ein HSI in elektronischer Ausführung sind mittlerweile so kostengünstig auf dem Markt, dass sich die Reparatur eines mechanischen Gerätes nicht mehr lohnt, von der Ausfallsicherheit ganz zu schweigen.

AOA Indicator

Die Anzahl der Trudelunfälle liegt seit Jahren konstant bei etwa 10% aller Unfälle, jedoch ist die Chance, dabei tödlich verletzt zu werden deutlich höher.

Die Ursache dafür wird allgemein im Überziehen (der Tragfläche) des Flugzeuges gesehen, dessen Ursache ein zu großen Anstellwinkel ist, eine Folge zu geringer Geschwindigkeit in der jeweiligen Situation.

In Linienflugzeugen wird der Anstellwinkel durch den „Angle Of Attack Indicator“ angezeigt.

Ein solches Gerät ist nun auch seit einiger Zeit für Flugzeuge der Allgemeinen Luftfahrt erhältlich und es wird allgemein hoch gelobt, und man hofft, dass mit dem Einbau solcher Geräte die Unfallzahlen sinken.

Diese Hoffnung teile ich allerdings nicht:

In jedem Flugzeug gibt es neben der Geschwindigkeitsanzeige bereits ein Gerät, das das Überziehen der Tragfläche anzeigt: Die Überziehwarnung.

Somit halte ich es für fraglich, ob ein Pilot, der bereits die Anzeige der Geschwindigkeit und die Überziehwarnung ignoriert, ein zusätzliches Gerät beachten wird.

Panikbutton und Autoland

Garmin als Vorreiter auf dem Gebiet des automatisierten Flugzeuges hat neben der Avionik auch einige Entwicklung in Richtung Autopilot betrieben. Da ist zunächst der „Panikbutton“ zu nennen. Wenn der Pilot das Flugzeug in eine unkontrollierte Lage gebracht hat, aus der er sich nicht mehr retten kann, übernimmt das der Autopilot: Der Pilot drückt auf den Panikknopf und die Automatik bringt das Flugzeug in eine normale Fluglage zurück.

Noch weiter geht die „Autoland“ genannte Automatik, mittels der das Flugzeug vom Autopiloten ohne Zutun der Besatzung auf dem nächsten geeigneten Flugplatz landet.

Ein Pilot mit einer fundierten Ausbildung wird solche Einrichtungen sicher nicht benötigen. Allerdings sind Situationen denkbar, in der eine solche Einrichtung das Leben der Flugzeuginsassen retten kann. Man braucht ja nicht gleich an eine Ohnmacht des Piloten denken, bei der ein Passagier diese Einrichtung in Betrieb setzt. Bereits Übermüdung des Piloten kann bereits zu Unfällen führen. Das muss nicht sein.

Hier zeigt sich bereits die Entwicklung zum vollautomatischen Fliegen.

Die Zeit der „Barnstormers“ ist letztendlich Vergangenheit, ob man es bedauert oder nicht.